Berlin - Die Berliner Professoren Peter Grottian, Wolf-Dieter Narr, Roland Roth und der Politologe Benedict Ugarte Chacón haben der SPD eine „prinzipienfeste soziale Verantwortungslosigkeit“ vorgeworfen. Sie begründen ihre ungewöhnlich scharfe Kritik damit, dass die SPD im Wahlkampf die „große soziale Gerechtigkeitspartei“ spiele, aber die Interessen von Hartz IV-Empfängern, prekär Beschäftigten, Kindern und armen Rentnern „stiefeltreterisch“ behandle.
„Die einäugige Fixierung auf die Mindestlohndebatte hat die SPD fast blind für eine Sozialpolitik zugunsten der Schwächsten gemacht“ heißt es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung.
Die SPD habe die Überprüfung einer Erhöhung der Arbeitslosengeld II-Regelsätze mehrfach für November 2007 versprochen, dieses Versprechen bis heute jedoch nicht eingehalten.
Nach internen Unterlagen, die den Wissenschaftlern vorliegen, habe sich das Arbeitsministerium „auf das Anpassungsmodell des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (von 347 Euro auf 420 Euro) zubewegt.“ Das Bundeskabinett habe diesen Vorstoß jedoch gestoppt und die Debatte um eine Erhöhung der ALG II-Regelsätze ohne die Öffentlichkeit zu informieren beendet. Die Wissenschaftler kritisieren in ihrer Stellungnahme den internen Kabinettsbericht als „lapidare Aufzählung von alternativen Berechnungsmodi, ohne jede abwägende, sachgerechte, geschweige denn wissenschaftlich fundierte Argumentation.“
Grottian, Narr, Roth und Ugarte Chacón sprechen sich in ihrer Stellungnahme für eine sofortige Erhöhung der Arbeitslosengeld II-Regelsätze aus:
„Angesichts der Tatsache, dass sich die dramatische Verarmung der sozial Diskriminierten seit Bildung der Großen Koalition von 2005 bis 2008 u. a. durch Nicht-Erhöhung der Regelsätze, Mehrwertsteuererhöhung, Lebensmittel- und Energiekostensteigerungen um 10-13% erhöht hat, fordern wir eine Sofort-Erhöhung für die ALG II-Bezieher und einkommensschwachen Rentner von 10 %. Diese sofortige Erhöhung sollte jedoch nur der erste Schritt hin zu einer menschenwürdigen Grundsicherung von mindestens 500 Euro sein. Mit dieser Maßnahme einhergehen sollte die Abschaffung der repressiven Passagen der HartzIV-Gesetzgebung: 270 Mio. Euro für Schnüffeldienste auszugeben stehen für einen Überwachungsstaat – einer Demokratie sind sie unwürdig.
Eine 10-prontentige Sofort-Erhöhung würde im Bereich des ALG II nur ca. zwei Milliarden Euro kosten. Diese wären aus den Überschüssen der Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesnachtragshaushalt 2008 sehr wohl zu finanzieren.“
Weiterhin kritisieren die Wissenschaftler die Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE. Es sei „ein Sturmzeichen einer schwachen Opposition und ein Mangel an demokratischer Debattenkultur“, dass diese sich nicht zu diesem „Bruch des SPD-Versprechens“ geäußert hätten.
Presse-Kontakt:
Prof. Dr. Peter Grottian
FreieFreie Universität Berlin, Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften
Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft
Ihnestraße 22, 14195 Berlin
Tel: 030/83854961
mobil: 0171/8313314
Hinweis: Für den Inhalt dieser Presse-Information ist ausschließlich deren Emittent verantwortlich. Bei Fragen zum Release-Net wenden Sie sich bitte an buero@release-net.de.