Mannheim - Menschen der verschiedenen Glaubensrichtungen, die für sich einen spirituellen Pfad gewählt haben wissen, dass Spiritualität kein ständiges Schweben in erdfernen Regionen sondern aktives und verantwortliches Hier-Sein mit Bodenhaftung in dieser Welt ist. Und dazu gehört ohne Zweifel, in bestmöglicher Weise für die Gesundheit von Körper, Geist und Seele zu sorgen. Auch bei den Sufis ist das so und die Sufiorden haben dafür in Jahrhunderten Praktiken entwickelt, die eine ganzheitliche Gesundheit auf dem Pfad zu Gott fördern.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass z. B. die Psychologie sich mit der transpersonalen Psychologie schon lange der Spiritualität geöffnet hat, Biologen und die Neurowissenschaftler mit den heute zur Verfügung stehenden Verfahren nachweisen können, wie Glauben in Körper und Geist wirkt. Und auch die Schulmediziner verschließen sich mit Blick auf den Placeboeffekt und den Forschungsergebnissen nicht den Wirkungen der im Glauben begründeten Selbstheilungskräfte.
Sufis und am Sufismus, bzw. an der Spiritualität interessierte Menschen kamen von Freitag, 14. Januar bis Sonntag, 16. Januar 2011, in Ludwigshafen a. Rhein zusammen.
Dem Thema Spiritualität und Gesundheit war das Treffen 2011 gewidmet. Dazu wurden verschiedene Perspektiven aufgezeigt. Diese Vorträge sind auf der Homepage mit PDF-Dokumenten verfügbar, deshalb wollen wir hier nur einige Anmerkungen machen.
Freitag
• Zur Gesundheit der Menschen in unserem Land wurden von Alfred
E. Miess vom Mannheimer Institut Fakten vorgetragen. Danach sind
z. B. psychische Erkrankungen weiter auf dem Vormarsch, stehen
inzwischen an vierter Stelle bei den Krankmeldungen und belegen
mit der durchschnittlichen Dauer von 22 Tagen die erste Stelle.
• Dr. Rüdiger Nübling, bei der Psychotherapeutenkammer Baden-
Württemberg für das Referat Psychotherapeutische Versorgung und
Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich, hat in seinem Referat „Woran
die Seelen leiden und wie gut unsere Systeme zur psychosozialen
Hilfe helfen und heilen können“ die Sicht der psychologischen
Betreuung eingebracht. Daraus ist festzuhalten: fast jeder Dritte
Bürger war oder ist in psychotherapeutischer Behandlung.
Depressionen, Angststörungen und somatoforme Störungen sind die
häufigsten psychischen Erkrankungen. Die direkten Behandlungs-
kosten machen Kosten deutschlandweit 22,4 Mrd. € aus. Von den
Zahlen für Europa rückschließend muss angenommen werden, dass
die Folgekosten durch Produktionsausfälle, Frühberentungen u. a.
nahezu 30 Mrd. € betragen, also auch der volkswirtschaftliche
Schaden enorm ist. Mit Blick auf die Betroffenen ist der
Versorgungsgrad besorgniserregend. Am Beispiel Baden-
Württemberg wurde dieser aufgezeigt mit 117 % in Heidelberg-Stadt, aber nur 17,5 % im Hohenlohekreis und landesweit mit 34,4 %. So ähnlich sieht der Versorgungsgrad wohl regelmäßig zwischen Stadt und Land auf. Da wundert es dann nicht mehr, wenn man hört, dass ein erster Termin für die erste Therapiestunde in zwei oder gar drei Monaten möglich ist.
• „Was Selbsthilfegruppen leisten und auch nicht leisten können“,
darüber haben Bärbel Handlos, Geschäftsführerin vom
Gesundheitstreffpunkt Mannheim und Heidelberger Selbsthilfebüro
und Manfred Gumbinger, Vertreter der Selbsthilfegruppe Integrale
Lebenspraxis berichtet. Der Gesundheitstreffpunkt kümmert sich in
erster Linie um die Betreuung der aktuell 365 Selbsthilfegruppen in
Mannheim, stellt an Nachfragende (2009 rund 5000 Anfragen)
Informationen zu Kontakten zur Verfügung. Wichtigste Merkmale
der Arbeit in den Selbsthilfegruppen sind: sich gegenseitig bei der
Bewältigung ihrer Schwierigkeiten zu unterstützen, neue Kenntnisse
über die persönliche Problemsituation zu erwerben, andere
Umgangsformen mit dem Problem zu entwickeln, soziale
Isolierungen und Ängste abzubauen, gemeinsame Aktivitäten zu
unternehmen, einen selbstsicheren Umgang mit Professionellen
(z.B. mit Ärzten) zu erlernen, neue Lebensinhalte und Perspektiven
zu entwickeln und sich gegenseitig zu ermutigen, die eigenen
Rechte einzufordern. Es wurde aber auch deutlich, was
Selbsthilfegruppen nicht leisten können: Selbsthilfegruppen sind
selten für Menschen in akuten Krisen geeignet. Selbsthilfegruppen
können eine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung
nicht ersetzen, sie können sie aber sinnvoll ergänzen oder
unterstützen. Die Gruppen können nur funktionieren, wenn es zu
einem wechselseitigen Geben und Nehmen kommt.
• Der Vortrag von Manfred Gumbinger zu seiner Arbeit in Gruppen der Anonymen Alkoholiker hat mit den Erzählungen zu den Treffen und Bemühungen der TeilnehmerInnen dort alle sehr bewegt. Danach hat er noch die Arbeit in der neu gegründeten Gruppe Integrale Lebenspraxis (
www.integrale-lebens-praxis.de) berichtet, die nach dem Modell von Ken Wilber
www.if.integralesforum.org) arbeitet, das heute weltweit angewandt wird. Ziel dieser Praxis ist es, die körperliche wie psychische Gesundheit – auch durch die so
genannte Schattenarbeit - zu unterstützen, mit wachsendem
Bewusstsein in dieser Welt zu sein und mit ihr umzugehen.
• Dr. Oruc Güvenc, Sufimeister verschiedener Linien, hat mit seinem Streifzug durch die 1000-jährige Geschichte der Sufimedizin,
Psychotherapie und insbesondere durch die Musiktherapie viele der
TeilnehmerInnen zur Teilnahme an praktischen passiven und
aktiven Übungen am Samstag angeregt. Auf den Punkt gebracht
lässt sich sagen, dass hier immer noch viel Erfahrungswissen
ungenutzt durch die Schulmedizin schlummert oder auch gerade
wieder entdeckt wird.
Die zwei Stunden jedenfalls am Samstag waren sowohl
nachdenklich stimmend wie auch anregend, wenn mann / frau den
Wirkungen der einzelnen Übungen nachspürte. Wer mehr zu
diesem Thema nachlesen möchte, der findet unter
www.tumata.com/98deu_musictherapy.aspx viele interessante
Informationen.
* Am Freitagabend hat dann nach einem gemeinsamen Essen
Abendprogramm mit Shaikh ul Mashaikh Mahmud Khan zum
Thema„Wie Spiritualität unser Außen und Innen in Balance bringen
kann“ vorgetragen.
• Die lange Nacht der Sufis wurde eingeleitet durch das Zikr der
Tariqa Burhaniya, einem Sufiorden aus dem Sudan, dem heute in
Deutschland etwas 600 Sufis angehören. Oft wird das Zikr auch
Dhikr, immer aber als das Herz der Sufiübungen genannt. Mit seinen
kraftvollen Wechselgesängen und Körperbewegungen, die sich
In der Schnelligkeit steigern war das Zikr ergreifend und mitreißend
und beste Vorbereitung auf die lange Nacht mit musikalischer und
Gesangsbegleitung der Gruppe Tümata und Leitung von Dr. Oruc
Güvenc.
Samstag
Am Samstag hatten dann die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von 13.00 bis 20.00 Uhr Gelegenheit sich bei den Sufiorden über die mystischen Dimensionen und die individuellen Pfade zu informieren und die eine ganzheitliche Gesundheit betreffenden Aspekte zu diskutieren. Dazu konnten die Teilnehmer im Zwei-Stunden-Rhythmus die Sufiorden besuchen.
Wer sich näher über diese und die anderen im deutschsprachigen Raum aktiven Sufiorden und -gemeinschaften informieren will, findet hier auch die
www.-Adressen:
* Tariqah As-Safinah -
www.sufi-tariqah.de * Association Internationale Soufie Alawiyya Rhein-Main e.V. -
www.aisa.de * Chalice-Kreis / Reshad Feild -
www.chalicealivingschool.net/de * Internationale Hz. Mevlana Stiftung Mevlana e.V. Deutschland -
www.computerbutler.de/mevlana/index.php * Khaniqahi Ni\'matullahi e.V. -
www.nimatullahi.org * Der wahre Mensch e.V. / Naqshbandi-Orden -
www.sufi-zentrum-berlin.d * Trebbuser Mevlevîhane - www.mevlevihane.de
* Osmanische Herberge - Haqqani-Trust, Verein für neue deutsche Muslime e. V.,
Naqshbandi-Orden -
www.osmanische-herberge.de * Tariqah Burhaniya -
www.burhaniya.info * Internationaler Sufi-Orden Deutschland, e.V. -
www.sufiorden.de * International Sufi Movement -
www.sufimovement.org * Alevitisch-Bektaschitisches Kulturinstitut e.V. -
www.alevibektasikulturenstitusu.de Der Samstagabend war dann bis in die Nacht hinein den Zikr des Naqshbandi-Orden und gemeinsam von Sufi-Orden Deutschland und International Sufi-Movement erfüllt, in denen die TeilnehmerInnen die wiederholte Anrufung der „schönsten Namen“ Gottes, die göttlichen Eigenschaften erleben konnten, mit denen die Sufis ihr Herz „polieren“, frei machen von den Schatten des Ego.
Sonntag
Am Sonntagvormittag wurde dann im Plenum über das Sufitreffen, über gemachte Erfahrungen und Vorschläge für das nächste Treffen diskutiert. Dazu eine von vielen Stimmen: „Ich werde ganz bestimmt, so Gott will, Insha\' Allah, auch im nächsten Jahr gerne kommen. Ich habe soviel dazu gelernt, Vorurteile, Missverständnisse und Ängste abgebaut. Dieses Treffen war so wichtig. Denn die Gläubigen untereinander müssen ja lernen sich zu öffnen. Für mich war es wie eine Weltreise. Angefangen von Istanbul (Mevlevi), über Zypern (Naqshbandi), nach Indien (Inayat Khan) bis nach Afrika (Burhaniya).Auch spirituell war es eine Reise. Danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Bemühungen solch eine Tagung zu organisieren“.
Aber es gab auch kritische bzw. konstruktive Vorschläge, von denen wichtige zu nennen sind:
• Früher über den Termin des nächsten Treffens informieren. Deshalb wurde der Termin für das Sufitreffen 2012 gleich mit dem Henrich Pesch Haus vereinbart: 17. bis 19. Februar 2012.
• Frühzeitig Flyer und Plakate für die regionale Informationsarbeit zur Verfügung stellen.
• Die Sufiorden früher und durch gemeinsames Gespräch in die Organisation des Treffens einbeziehen.
• Mehr zeitlichen Raum für die aktiven Sufis für Begegnungen mit den jeweils anderen Sufiorden schaffen, weil mann / frau festgestellt hat, dass man wenig übereinander weiß.
Den Sufiorden wird vorschlagen, dass man in diesem Jahr vielleicht zu zwei Gesprächen über die Themen und Organisation des Sufitreffen 2012 zusammen kommt und – das wäre wünschenswert – über eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit und Vortragsmaterialien zu den Kernthemen des Sufismus für die regionale Informationsarbeit gesprochen wird. Diese Arbeit könnte unter das Motto „Einheit in Verschiedenheit“ gestellt werden.
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Mannheimer Institut
für Integration und interreligiösen Dialog
Alfred E. Miess
U 4, 22
68167 Mannheim
Telefon: 0621 / 43714002
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